Ich habe ja schon erwähnt, dass Davis sehr Fahrrad freundlich ist und mehr Fahrräder als Einwohner hat. Besonders bewusst wird einem das, wenn man nach einer Vorlesung zu einem anderen Gebäude auf dem Campus muss. Zu diesen ca. 10min langen Wechselzeiten herrscht so ein großes Verkehrsaufkommen, dass sogar Fahrrad-Staus vorkommen. Fast schon wie in Shijiazhuang. Das Lied zu dem Video ist von einer Band namens "Die Drei Lenöre" und lässt sich kostenlos und legal bei jamendo herunterladen.
Abgesehen von den Native Americans sind alle U.S.-Amerikaner irgendwann einmal eingewandert. Natürlich sind die spanischen Einflüsse hier in Kalifornien bedingt durch die Geschichte am größten, allerdings haben auch etliche Einwanderer aus Deutschland ihre Spuren hier hinterlassen. So sieht man hier viele Produkte mit deutschem Namen oder deutscher Beschriftung, die ich in Deutschland noch nie gesehen habe. Ein Beispiel ist Sudwerk. Das ist eine Brauerei hier in Davis, die von deutschen Einwanderern gegründet wurde und unter anderem "Hefeweizen" und "Pilsener" anbietet. Dann gibt es z.B. noch die Marke "Schwarz", die zu Engelhart Gourmet Foods gehört und unter anderem "Smoked Bratwurst" anbietet (siehe Bild). Außerdem gibt es noch etliche Winzer, die im vorletzten Jahrhundert aus Deutschland nach Kalifornien kamen und auch heute noch Wein unter den Namen Beringer oder auch Volker Eisele anbieten.
Zwei Mal die Woche ist hier der sogenannte Farmer's Market: Samstag früh und Mittwoch abend. Ich habe mir das heute abend zum ersten Mal angesehen und muss sagen, dass das mehr ist als nur ein normaler Bauernmarkt. Nicht nur werden dort Obst, Gemüse und allerlei Spezialitäten aus verschiedenen Regionen und Ländern angeboten, sondern das ganze gleicht fast schon einem Fest mit einer Countryrock-Band, Attraktionen für Groß und Klein und vielen Studenten, die auf den Bänken sitzen oder auf der Wiese des sogenannte "central park" Picknick machen.
Warum der Farmer's Market so beliebt ist, wird vielleicht auch klar, wenn man sich diesen Fakt bewusst macht: Hier in den USA ist das öffentliche Trinken von Alkohol oder auch nur offene Transportieren von Alkohol ohne Tüte verboten. Und scheinbar wird diese Sache auch aktiv verfolgt, denn ich habe das bis jetzt auch noch nicht gesehen (abgesehen von ein paar Leuten, die im "Vorgarten" oder "Hof" wenige Meter von der Straße entfernt gefeiert haben). Allerdings gibt es hier in Davis eine Ausnahme: Auf dem Farmer's Market wird unter anderem auch lokaler Wein aus der Region angeboten und entsprechende Verkostungen würden ja theoretisch gegen diese Regel verstoßen. Deswegen darf ausnahmsweise während der Dauer des Farmer's Market auf dem gesamten Gelände offen Bier und Wein getrunken werden. Das ist natürlich etwas ganz Besonderes für die Amerikaner und erklärt auch ein bisschen wieso der Farmer's Market eben mehr als nur ein Bauernmarkt ist.
Noch einmal kurz zum Studium hier in den USA im Vergleich zu Deutschland. Wie bereits erwaehnt, belege ich vier Kurse.
Computer Architecture
Dieser Kurs fühlt sich wirklich wie High School, bzw. 11. Klasse Gymansium an. Sowohl vom Niveau als auch von der Organisation her. Der Dozent schreibt relativ unwichtige Tabellen mit Kreide an die Tafel und die Studenten pinseln das dann ab, arbeiten an langen, stupiden, Übungs-Rechenaufgaben ohne Realitätsbezug. Das Textbuch wird größtenteils ignoriert und es gibt öfters Tests. Alles in allem also recht negativ. Ich freue mich schon darauf, dass dieser Kurs endlich vorbei ist.
Algorithmic Design
Dieser Kurs ist den Kursen an deutschen Universitäten recht ähnlich. Der Unterricht ist locker und meistens sind nur so die Hälfte der Studenten überhaupt anwesend. Es gibt keine Tests, aber einen Dozenten, der sich mit dem Thema auskennt und sich grob am Textbuch orientiert. Während des Unterrichts werden Definitionen, komplexe Erklärungen und mathematische Beweise vom Dozenten durchgegangen und erklärt, die allein durch Lesen des Buches nicht ganz zu erfassen sind. Das entspricht halt dem Stil, den ich in Deutschland gewohnt bin und auch für relativ angenehm und vernünftig halte.
Programming Languages
Dieser Kurs hat einen Stil, von dem ich mir wünschen würde, dass er auch in Deutschland angewendet wird. Generell ist eher zwar ähnlich wie der bei Algorithmic Design, allerdings wird sich sehr viel mehr auf das Textbuch konzentriert und alles sehr systematisch aufgebaut. Ich habe ja schon vorher erwähnt, dass hier die Bücher fester Bestandteil der Vorlesung sind - im Gegensatz zu Deutschland, wo es meistens eher ergänzend und begleitend ist und eher Skripte, Mitschriften und Handouts verwendet werden. Der Vorteil der Bücher ist, dass sie sehr viel mehr Inhalt abdecken können ohne dabei den Blick fürs ganze zu verlieren. Die Hausaufgaben sind sehr interessant, praxisorientiert und man hat im Regelfall zwei Wochen Zeit dafür. Wenn ich vielleicht irgendwann einmal eine Vorlesung organisieren sollte, dann würde ich mich an diesen Stil halten.
Astronomy
Dieser Kurs ist ganz anders als alles, was ich bis jetzt so in Deutschland gesehen habe. Erst dachte ich, dass der Kurs eher eine Spaßveranstaltung wäre und nicht besonders Ernst gemeint ist, da der Professor doch einen sehr ungewöhnlichen Unterricht abhält, aber mittlerweile ist mir klar, dass er wirklich außerordentlich engagiert ist, um absolut jedem der ca. 160 Kursteilnehmer die Grundkonzepte zu vermitteln. Fast jede Vorlesung führt er Experimente durch, bindet Studenten ein, die dann die Sonne spielen, während ein anderer Student die Erde spielt, bringt einen Einkaufswagen mit 100 Rollen Toilettenpapier in den Hörsaal um die Entfernung zwischen der Sonne und dem nächsten Stern zu demonstrieren, zeigt kurze, aufschlussreiche Videos, verteilt an alle Studenten im Hörsaal kleine Beugungsgitter, mit dem die Studenten eigenhändig das Spektrum von verschiedenen Lichtquellen untersuchen können, läd die Studenten dazu ein, spätabends zu seinem Labor zu kommen um dort mit den Teleskopen die Sterne zu beobachten, spielt laute Rockmusik über die Soundanlage des Hörsaals ein, wenn die Studenten zu laut werden, lässt die Vorlesung abfilmen und stellt die Videoaufzeichnung zum Nachsehen ins Internet, stellt Unmengen an Materialien, Ressourcen, Online-Tutorials, Lernhilfen, interaktiven Simulationen und Büchern bereit, verteilt die originalen Prüfungsfragen der letzten Jahre an alle Studenten und geht die Fragen in der Vorlesung durch, baut Gruppendiskussionen in die Vorlesung mit ein, lernt die Vornamen aller seiner Studenten auswendig, hat einen Chatraum und ein Forum zur Veranstaltung im Internet angelegt und steht fast rund um die Uhr per Telefon, Email und persönlich für jegliche Fragen bereit. Wenn man nach der schriftlichen Prüfung zu Hause feststellt, dass man eine Frage falsch beantwortet hat, kann man in den folgenden drei Tagen einen Zettel abgeben auf dem man begründen muss, warum und wie man zu dem neuen Ergebnis kam und wieso man während der Prüfung etwas anderes geschrieben hat, und kriegt dann noch nachträglich 50% der Punkte für die Aufgabe auf die Prüfungsnote gutgeschrieben. Diesem Professor geht es nicht darum, die guten von den schlechten Studenten zu trennen, sondern er probiert wirklich mit allen nur zur Verfügung stehenden Mitteln, den Studenten den Stoff so interessant wie möglich darzubringen und ihnen gleichzeitig etwas beizubringen. Ich finde das absolut beeindruckend und habe dadurch auch eine ganz neue Sicht darauf, wie Lehre und Studium aussehen kann.
Dieses Wochenende habe ich mich auf ein Abenteuer begeben. Auf dem Campus bietet nämlich eine Gruppe mit dem Namen "Outdoor Adventures" Ausflüge und Aktivitäten an und das zu besonders günstigen Preisen. Da ich mir den Yosemite National Park laut einigen Leuten lieber im Frühling ansehen sollte, habe ich mich fuer den Kurs "Introduction to Backpacking", zu Deutsch "Einführung ins Rucksackreisen bzw. Trekking" entschieden. Samstag frueh um 7 Uhr ging es los und am Sonntag um 4 Uhr nachmittags waren wir wieder zurück. Das Ziel? The Sierras ...oder genauer:
Ein paar Tage vor Abfahrt gab es ein Treffen, bei dem Organisatorisches besprochen wurde. Insgesamt sind wir 5 Leute, davon 2 "Guides" und drei Studenten. Als normaler Teilnehmer bringt man seinen eigenen Schlafsack und Rucksack mit, oder mietet sich beides, während die Guides sich um Zelte, Abendbrot und alles weitere kümmern.
Nach dem Treffen sind wir zu fünft mit dem Auto ca. 2h bis zum Wrights Lake gefahren. Von dort aus ging es dann zu Fuß weiter. Über Steine, Felsen und Kies; durch Wald, Gras und Sträucher; entlang von Bächen, Seen und Pfaden. Wir haben gelernt, mit Karte und Kompass zu navigieren und dem Pfad mithilfe von sogenannten Cairns zu finden und zu folgen, wobei einer der Guides allerdings dank seines GPS auch immer genau wusste, wo wir waren, und uns wurden verschiedene Arten von Knoten beigebracht. Vom Wrights Lake ging es dann immer weiter nach oben und über einen Pass 8000 feet above sea level, also 2400m über dem Meeresspiegel. Von da aus ging es dann weiter zu den Twin Lakes, wo es einige schöne Plätze zum Zelten gab. Allerdings sind wir nach dem Mittagessen weiter zum Ziel der Reise, zum Island Lake gelaufen. Durch das Schmelzwasser waren die Seen und Bäche gut geflutet, aber noch war relativ warm. Schon in wenigen Wochen wird die gesamte Gegend unter einer dicken Eis- und Schneedecke begraben werden, die erst im Juli nächsten Jahres wieder komplett weggetaut ist. Da wir beim Island Lake keine geeignete Stelle zum Aufschlagen der Zelte fanden, sind wir wieder zurück und haben dann in der Nähe eines der Twin Lakes campiert. Die Guides halfen uns beim Aufbauen der Zelte und hatten auch einen Wasserfilter mit, sodass wir unsere Wasserflaschen mit gefilterten, klaren, frisch getauten, leckeren Eiswassers wieder auffuellen konnten. Das Wasser ist so klar, dass man auch von Weitem bis auf den Grund sehen kann. Die Vegetation ist in der Höhe etwas spärlich, aber die alten, hohen Baeume, die Wasserfaelle und die verschiedenen Felsformationen vermitteln ein interessantes, abwechslungsreiches Bild. Die gesamte Gegend wurde bei der letzten Eiszeit geformt, was man auch an vielen Kleinigkeiten erkennen kann. Tiere haben wir nicht, bzw. kaum gesehen, wohl aber ein paar andere Wanderer, die teilweise auch mit ihren Hunden unterwegs waren.
Nach dem Aufbauen der Zelte haben haben wir uns dann mithilfe eines kleinen Brenners Wasser in einem Topf erhitzt und dann Couscous mit Brokkoli, Käse, Zwiebeln und Hühnchen gegessen. Als Dessert gab es dann ein ganz besonderes Geheimrezept, dass sich sehr leicht mithilfe von Tofu und ein paar anderen Sachen zubereitet lässt und so ein bisschen wie Käsekuchen schmeckt. Danach haben wir dann das gesamte Geschirr und alle Sachen, die mal in Kontakt mit Essen kamen, in ein paar große Tüten gepackt und 100m von den Zelten entfernt in 5m Höhe an einen Baum gehangen. Das ist zum Schutz des Proviants und vor allem zu unserem eigenen Schutz vor Bären gedacht, die generell in der Gegend nicht ungewöhnlich sind (allerdings eher selten bis hinauf zu den Twin Lakes kommen).
Der Sternenhimmel war atemberaubend. So etwas habe ich noch nie gesehen. Da es weit und breit keine Quelle künstlichem Lichts gab und in der Höhe auch die Luft sehr rein und die Atmosphäre dünn ist, und außerdem noch der Mond in der Nacht unterhalb des Horizonts war, konnte man unglaublich viele Sterne sehen. Der Himmel schien fast ausschließlich aus Sternen zu bestehen, sodass man kaum noch die Zwischenräume zwischen den Sternen erkennen konnte. Auch die Milchstraße war kaum zu übersehen und erstreckte sich einmal quer über den Himmel. Ich habe probiert ein paar Fotos zu machen, allerdings musste ich dann feststellen, dass ab einer Belichtungszeit von über drei Minuten die Erdrotation die Sterne auf dem Bild verwischt. Ideal wäre dann natürlich ein Teleskop oder Stativ, dass sich mit der Erdrotation mitdreht. Vom Sternenhimmel begeistert, habe ich meinen Schlafsack auf eine Matte außerhalb des Zeltes gelegt und bin dann mit Blick zum Sternenhimmel eingeschlafen. Der Schlafsack ist bis -18 Grad Celsius zugelassen und extrem warm, außerdem habe ich mich wie eine Mumie zugeschnürt, sodass nur noch ein kleines Loch zum Atmen übrig blieb. Dennoch bin ich nach ein paar Stunden aufgewacht und ins Zelt umgezogen, da selbst durch dieses kleine Loch doch recht eisige Luft hineinströmte. Die Temperatur kann sich so hoch im Gebirge und mit so geringer Luftfeuchtigkeit doch überraschend schnell ändern.
Am nächsten Morgen habe ich dann einen heißen, japanischen Tee und einen Pop Tart genossen, während ich auf einem hohen Felsen saß und der Sonne zugesehen habe, wie sie langsam über den Berggipfel kroch, ins Tal schien und dann hoch zum Himmel hinaufstieg. Einer der Guides hatte wohl Probleme mit seiner Verdauung, aber ansonsten war alles in Ordnung und so haben wir alles abgebaut und aufgeräumt und sind dann langsam wieder Richtung Wrights Lake zum Auto gewandert. Wie es typisch für die UC Davis ist, so stand auch bei dieser Aktivität wieder Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Das gilt allerdings nicht nur für diesen einen speziellen Trip, sondern es gibt generell eine Backpacking-Bewegung, bei der es darum geht, die Natur so wenig wie möglich zu beeinflussen ("low impact") und am besten gar keine Spuren zu hinterlassen ("leave no trace"). Dazu gehört nicht nur, dass der gesamte Müll mitgenommen wird, sondern z.B. auch dass der Boden nicht umgegraben wird, Schilder oder Wegweise aufgestellt, Steine verlegt oder Äste abgebrochen werden und die "Toilette" mindestens 50 Meter von jeglichem Wasser entfernt sein muss. Das gesamte Gelände Desolation Wilderness darf nur mit voriger Erlaubnis betreten werden (siehe Bild) und es gibt ein bestimmtes Limit, wie viele Menschen sich gleichzeitig dort aufhalten können. Das alles dient dazu, die Natur so unberührt wie möglich zu lassen, damit auch noch in vielen Generationen, Menschen dieselben Erfahrungen machen können, die wir gemacht haben.
Leave nothing but footprints. Take nothing but photos. Kill nothing but time. Keep nothing but memories.
Hinterlasse nichts, außer Fußspuren. Nimm nichts auf, außer Fotos mit deiner Kamera. Schlage nichts tot, außer die Zeit. Behalte nichts, außer deine Erinnerungen.
Heute bin ich mit dem Fahrrad entlang des Putah Creek nach Winters gefahren. Ich finde ja, dass Winters ein komischer Name für eine Stadt ist, aber hier sind ein paar Bilder vom Weg.