Auslandsjahr in den USA - Ein Erfahrungsbericht

Posted July 8, 2011

Vorbereitung

Durch Zufall bin ich auf einen Flyer des Akademischen Auslandsamts gestoßen und habe sofort für mich beschlossen, die Chance zu nutzen und mich noch während meines Master-Studiums für einen Auslandsaufenthalt zu bewerben. Wenn nicht jetzt, wann dann? Das Studium ist der perfekte Zeitpunkt, um seinen Horizont zu erweitern und die Freiheit zu nutzen, die man noch hat.

Dass mich die USA mehr interessiert haben als ein ERASMUS Studium, liegt unter anderem daran, dass ich schon in vielen europäischen Ländern Urlaub gemacht habe und dass das Auslandsjahr gar kein Urlaub sein sollte, sondern mich stattdessen möglichst weit weg in eine andere, neue Umgebung bringen sollte.

Der ganze Bewerbungsprozess verlief im Wesentlichen in zwei Schritten. Zuerst muss man sämtliche Voraussetzungen erfüllen, um dann in das eigentliche Verfahren zu kommen. Dies ist alles im Internet dokumentiert. Einer der Höhepunkte war sicherlich der TOEFL-Test, für den ich extra einen Vorbereitungskurs in Berlin besucht habe. Dieser Vorbereitungskurs hat sich nicht nur positiv auf mein Prüfungsergebnis ausgewirkt, sondern mich auch nochmal innerlich auf den Auslandsaufenthalt vorbereitet. Ein andere Punkt war die Wunschliste für die Universität, die man besuchen möchte. Ich habe beim Zweit- und Drittwunsch viel überlegt und viele Rankings gelesen aber der Erstwunsch war für mich als Informatiker und Musikliebhaber ganz klar: University of California. Das Land von Google, SUN, Apple, The Doors, Jefferson Airplane, Creedence Clearwater Revival und so weiter und so fort. Umso glücklicher war ich dann, als ich dann schließlich bei der UC angenommen wurde.

Von da an, war die Organisation größtenteils in den Händen des Education Abroad Program (EAP). Es mussten Studienpläne erstellt werden, ich musste die Namen aller meinen belegten Kurse übersetzen und einiges mehr, aber im Grunde genommen hat man sich zu diesen Zeitpunkt schon innerlich auf das Ausland vorbereitet und konnte es kaum erwarten, zu erfahren, an welchen Campus der UC man gelangt. Die finalen Vorbereitungen waren dann der Nachsendeauftrag bei der Post und der Besuch des Konsulats um letztendlich sein J1 student visa zu erlangen.

Ich kann mich nur beim Akademischen Auslandsamt bedanken für die Unterstützung bei den Vorbereitungen und insbesondere für die beiden Treffen mit den University of California Studenten in Berlin.

Studium

Man muss gut aufpassen, dass man in die Kurse kommt, die man belegen möchte. Sobald man das aber gemacht und das Semester begonnen hat, kann man relativ problemlos mit den Professoren über alles reden, insbesondere über die requirements, die man als Austauschstudent nicht immer erfüllt, da die Kurse in Potsdam zwar meist inhaltlich denen in den USA entsprechen, aber natürlich anders heißen und aufgebaut sind.

Die Kurse selbst sind eher `schulisch', also beinhalten im Normalfall sehr viele Hausaufgaben, Projekte, Zwischenprüfungen und so weiter. Das hat den Nachteil, dass man sehr viel zu tun und weniger Freiheiten hat, aber andererseits trägt jede einzelne dieser Leistungen zur Note bei statt nur einer einzigen Prüfung am Ende des Kurses. Das Quarter-System macht es zusätzlich noch anstrengend. Schon zwei, drei Wochen nach Semesterbeginn gibt es die ersten Zwischenprüfungen und sieben Wochen später ist das Semester auch schon wieder vorbei. Auch in den Seminaren wird im Vergleich zu meinen Erfahrungen in Potsdam sehr viel mehr getan. So wird erwartet, dass jede Woche ein neues Paper gelesen und alle paar Wochen ein Vortrag gehalten wird. Die Studenten nehmen all dieses hin, denn sie haben kaum eine andere Wahl. Die Studiengebühren von ca. 26 000 Dollar pro Jahr verursachen einen signifikanten Leistungsdruck. Auch die vielen Stipendiaten bekommen die finanzielle Unterstützung nur unter der Voraussetzung einer konstant hohen Leistung, meistens schulisch, manchmal aber auch rein sportlich. Das ganze hat natürlich mehrere interessante Effekte. Einerseits sind die Studenten im Durchschnitt etwas gewissenhafter und fleißiger, als ich es in Deutschland gewöhnt bin, jedenfalls zum Ende des Quarters hin. Andererseits sinkt aber auch teilweise die Tiefe des Lehrinhalts. Es geht eher um Quantität als um Qualität. Dennoch würde ich nicht sagen, dass das Niveau generell niedriger ist. Es hängt ganz entscheidend von einem selbst ab und von den Kursen, die man belegt.

An einer so riesigen Universität wie der UC Davis ist das Kursangebot fantastisch. Ich war in der Lage, Kurse zu belegen, die an der Uni Potsdam gar nicht unterrichtet werden. Dazu kommt auch, dass ein Studium in den USA neben den fachlichen Anforderungen immer einen gewissen allgemeinen Anteil hat, die sogenannten GE (General Education) Kurse. Als freshman ist man erst einmal undeclared, hat also gar kein Studienfach. Speziell für diese Gruppe von Studenten, aber auch für Interessierte höherer Jahrgänge gibt es ein großen Angebot an Einführungskursen in verschiedenste Gebiete. Während ich an der Uni Potsdam ausschließlich Informatikkurse belegte, habe ich an der UC Davis Anfängerkurse in Astronomie, Politikwissenschaft und Film genommen.

Sprache

Dadurch dass ich seit Jahren schon viele Texte und Bücher auf Englisch gelesen und viele Filme auf Englisch gesehen habe, hatte ich eigentlich wenig Probleme beim Verstehen. Um eine Sprache allerdings wirklich zu beherrschen, gehört auch insbesondere das Sprechen und das habe ich erst in den USA wirklich gelernt. Ich kann nicht sagen, dass es dabei irgendwann einen `Durchbruch' gegeben hätte, vielmehr habe ich stetig von Tag zu Tag dazugelernt. Das führte dann bei mir soweit, dass bestimmte Ausdrücke und Redensarten das Deutsche schon fast verdrängt hatten und mir auch hier von Zeit zu Zeit herausrutschen. Dennoch kann ich nur empfehlen, jede Chance zu nutzen um im Ausland zu sprechen. Wenn einem anfangs noch Wortschatz fehlt, dann kann es nie schaden, das entsprechende Wort einfach zu beschreiben. Im Falle von großen Unsicherheiten beim freien und flüssigem Sprechen, kann außerdem ein TOEFL-Kurs während der Vorbereitungsphase nicht verkehrt sein.

Finanzen

Im Vergleich zu anderen potenziellen Zielen für ein Auslandssemester ist das Studium an der University of California mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Man muss zwar glücklicherweise nicht die vollen Studiengebühren zahlen, dennoch kommen zu Flug, Unterkunft und Lebensunterhalt noch einmal rund 5000 Euro an Gebühren hinzu. Da man mit einem Studentenvisa nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten kann, spielen Erspartes und Stipendien eine große Rolle. Ich hatte das Glück, Auslands-BAFöG und ein PROMOS-Stipendium zu bekommen. und ohne diese finanzielle Unterstützung wäre das Jahr wahrscheinlich kaum machbar gewesen. Auch die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Fulbright Commission und das DAAD bieten Möglichkeiten in den USA auch ohne großen Vermögen gut über die Runden zu kommen.

Kontakte

Man sagt ja immer, dass es sehr leicht ist mit Amerikanern in Kontakt zu treten und dass der Umgang miteinander sehr offen, informell aber tendenziell auch oberflächlich ist. Ich muss zugeben, dass das zwar grob so stimmt, aber dass es mir eigentlich gar nicht so sehr aufgefallen ist. Letztlich sind die Menschen dort auch nicht viel anders als in Deutschland und außerdem kommt ja ein Großteil der Studenten auch aus Europa, Asien, Südamerika und dem Rest der Welt. Man neigt dazu, seine Zeit vorwiegend mit anderen internationalen Studenten zu verbringen, aber selbst wenn man den Kontakt zu amerikanischen Studenten sucht, ist das Studium an der University of California ohnehin international. Einer der Professoren war Inder, ein anderer aus China und ein dritter hat mir angeboten, meine Seminararbeit in Deutsch zu verfassen (was ich natürlich nicht gemacht habe). Man kommt ganz automatisch mit verschiedensten Nationalitäten und Kulturen in Berührung und auch durch meine Wohnsituation habe ich viele internationale Kontakte gesammelt.

Wohnen

Einige andere Austauschstudenten sind ohne Wohnung in die USA gefahren und haben sich vor Ort gekümmert, ich hingegen habe bereits vorher etwas über die Mailing Liste des SISS (Services for International Students and scholars) gefunden. Vom zweiten Jahr an leben die meisten Studenten in Wohngemeinschaften um den Campus herum. Bei mir gab es auch verschiedene Angebote. Letztendlich bin ich dann in ein Haus mit zwei Japanern und einem brasilianischen PhD-Studenten gelangt. Dank des Internets konnte ich auch vorher schon mit meiner Vermieterin über Skype reden und ihr schließlich den unterschriebenen Mietvertrag mailen. Die Einblicke, die ich dann in diese beiden Kulturen erlangt habe, sind unersetzlich. Ich bin später sogar noch zu einem Japanisch-Anfängerkurs gegangen um auch sprachlich meinen Horizont zu erweitern. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind zwar im Allgemeinen nicht sonderlich gut ausgebaut, aber ich konnte glücklicherweise problemlos jeden Tag mit dem Fahrrad zur Uni und ins Stadtzentrum fahren, insofern kann ich mich eigentlich nicht beschweren.

Fazit

Viele Menschen haben bei den USA sofort ein bestimmtes Bild im Kopf. Dabei kann man aber eigentlich kaum verallgemeinern, da die einzelnen Staaten so unterschiedlich sind und jeweils wieder ihre eigenen Subkulturen mitbringen. Das ganze Leben ist viel weniger homogen und strukturiert als in Deutschland und so gesehen ist man zwar freier aber gleichzeitig auch stärker für sich selbst verantwortlich.

Wer sich für einen Auslandsaufenthalt entscheidet, der muss sich auf viel Bürokratie, Anstrengungen, sprachliche und kulturelle Schwierigkeiten, Heimweh und finanzielle Belastungen einstellen. Aber im Gegenzug macht man so viele Erfahrungen, lernt so viele unterschiedliche Menschen kennen und erweitert seinen Horizont dermaßen, dass ich es eigentlich jedem nur empfehlen kann. Man muss dabei allerdings offen sein für Neues, um seinen eigenen Weg zu finden. Denn wenn man sich selbst in einer neuen Umgebung, in einer neuen Kultur, in einem fremden Land erlebt, dann lernt man letzten Endes auch sich selber neu kennen.